Donnerstag, 5. September 2024

Artikel Mannheimer Morgen zur Bundesliga

 Sport

Mannheimer Verein wird deutscher Vizemeister - im Pétanque

Pétanque gehört zu den Boule-Spielen und ist ein leises Spiel. Auf dem Gelände des TSV Badenia Feudenheim fand die Endrunde der Pétanque-Bundesliga statt. Ein Mannheimer Verein holte den zweiten Platz


Von 
Katja Geiler
Da auf allen Boulefeldern gleichzeitig gespielt wird, herrscht auf dem Gelände eine geradezu festliche Stimmung.
Da auf allen Boulefeldern gleichzeitig gespielt wird, herrscht auf dem Gelände eine geradezu festliche Stimmung. © Katja Geiler

Mannheim. Der Waldhof spielt gegen Saarbrücken, gewinnt und wird deutscher Vizemeister – was sich anhört wie Fake News, entspricht der Wahrheit, denn es handelt sich nicht um Fußball, sondern um Pétanque.

Beim dritten Spieltag der Bundesliga-Saison startete der TV 1877 Mannheim Waldhof auf dem zweiten Tabellenplatz, diesen hat sich die Mannschaft sichern können. Deutscher Meister wurde der Pétanqueclub Burggarten Horb, den dritten Platz belegte Düsseldorf sur place. Wer nicht gerade spielte, konnte im Pausen-Zelt Platz nehmen, es gab Verpflegungsstände und einen Souvenirstand mit französischen Lebensmitteln.

Da auf allen Boulefeldern gleichzeitig gespielt wurde, herrschte auf dem Gelände eine geradezu festliche Stimmung. Pétanque ist ein leises Spiel, nur zwischendurch gibt es einen kurzen Jubel, wenn etwas gelingt, danach geht es wieder konzentriert zur Sache. „Beim Pétanque zählen die Punkte pro gewonnene Begegnung. Bei Gleichstand zählt das Spielverhältnis, danach das Kugelverhältnis“, erklärte Stefan Ringle, Leiter der Boule-Abteilung des TSV Badenia. Am Nachmittag zeichnete sich zwar schon ab, wer der Gewinner sein würde, doch manchmal gebe es Überraschungen. „Es ist möglich, wenn man hoch zurückliegt, dass man trotzdem noch gewinnt. Das passiert zum Beispiel dann, wenn bei der führenden Mannschaft die Konzentration nachlässt“, so Ringle.

Pétanque-Meisterschaften

  • Am vergangenen Wochenende fand auf dem Gelände des TSV Badenia Feudenheim die Endrunde der Pétanque-Bundesliga statt.
  • Der TV 1877 Mannheim Waldhof war auf dem zweiten Tabellenplatz, diesen konnte er sich sichern, nachdem die Mannschaft am Sonntag gegen die Pétanque-Freunde Saarbrücken 5:0 gewann.
  • Deutscher Meister wurde, wie bereits absehbar, der Pétanqueclub Burggarten Horb.
  • Bronze ging an Düsseldorf sur place. Obwohl Horb die letzte Partie gegen Düsseldorf 2:3 verlor, reichte es noch für den ersten Platz.
  • Der Spieltag erstreckte sich über zwei Tage, an denen das Gelände des TSV Badenia Feudenheim in Händen von zehn Pétanque-Mannschaften war, den besten aus ganz Deutschland

Konzentration ist ein Wort, das man in Zusammenhang mit Pétanque oft hört. Bei 30 Grand im Schatten kann diese nämlich schnell aufgebraucht sein. Doch bei den zehn Top-Mannschaften hielt der Akku erstaunlich lange, die Spielerinnen und Spieler wirkten auch noch am Ende des zweiten Hitzetages konzentriert. „Früher hat man Pétanque auf weitere Distanzen gespielt, und mit Anlauf, doch dann gab es einen älteren Spieler, für den die Regeln geändert wurden“, sagte Ringle.

Der Spieler lebte Anfang des 20. Jahrhunderts und litt unter Rheuma. Um das Spiel auf ihn abzustimmen, wurde aus dem Jeu Provençal, das auch heute noch mit Anlaufschritten gespielt wird, das Pétanque, was so viel heißt wie „geschlossene Füße“ (im provenzalischen Französisch ped tanco). Mit Riesenschritten näherte sich das Spiel der deutsch-französischen Grenze und wurde auch hierzulande populär, vor allem in Süddeutschland.

Die Boule-Abteilung der Badenia hat rund 100 Mitglieder

„Baden-Württemberg hat den größten Verband, und Mannheim ist eine Boule-Hochburg. Hier gibt es viele Vereine“, sagte Lisa Kamrad, die vor genau 20 Jahren die Abteilung bei der Badenia gründete und nun an Ringle abgab. Sie ist noch aktiv und übernahm die stellvertretende Abteilungsleitung. Nach ihr ist ein Bouleplatz auf dem Badenia-Gelände benannt.

Fabian Vonberg vom Team Waldhof wirft eine Kugel.
Fabian Vonberg vom Team Waldhof wirft eine Kugel. © Katja Geiler

Es begann mit einem Experiment. „Der Verein hatte Plätze für Feldhandball, jedoch keine Spieler mehr. Man machte daraus Boule-Felder, obwohl man noch keine Boule-Spieler hatte“, so Kamrad, die damals aus dem Bereich Gymnastik kam. Die Entscheidung war ein Volltreffer. „Zuerst kamen Leute, die zwar spielen, aber nicht in den Verein eintreten wollten. Doch wir bestanden auf unsere Abteilung. Wir organisierten ein Turnier, zu dem 16 Leute kamen. Darunter waren Teams, die es konnten. Wir spielten zuerst mit dem befreundeten Liga-Verein PC Bouletten zusammen, ein Jahr später waren wir selbstständig.“

So wurde die Abteilung Stück für Stück aufgebaut, so dass sie aktuell rund 100 Mitglieder hat, darunter 24 Kinder. Darauf sind Kamrad und Ringle besonders stolz. „Früher galt: Wer nicht mehr Tennis spielen kann, spielt Boule, und heute spielen so viele Kinder und Jugendliche“, meinte Kamrad.

Fünf Trainer sind im Einsatz. Fünf Liga-Mannschaften gibt es, zwei in der Kreisliga (eine davon Jugend), zwei in der Landes- und eine in der Oberliga. Seit 31 Jahren gibt es bereits die Boule-Abteilung des TV Mannheim Waldhof, und nun fand die Endrunde in ihrer Heimatstadt statt. Den Spielern konnte man die Begeisterung anmerken, denn es geht um mehr als nur Gewinnen. „Ich spiele seit 28 Jahren Boule. Den Zusammenhalt der Leute gibt es in sonst keiner Sportart“, sagte Sascha Wagner vom Team Waldhof. „Es entstehen sehr viele Freundschaften, man kennt alle Spieler hier. Den Sport auf diesem Niveau ausführen zu können, ist ein Privileg. Man braucht eine Lizenz.“

Jannik Schaak, Abteilungsleiter Boule beim TV Mannheim Waldhof, fügte hinzu: „In Deutschland gibt es insgesamt 20 000 Spieler mit einer Lizenz, die vom Verein beim Landesverband beantragt werden muss. Wir sind heute unter den besten 100 Spielern.“ Voller Euphorie fasste Wagner noch einmal zusammen: „Die Gemeinschaft ist das Allergrößte, wer es nicht erlebt hat, kann es nicht verstehen.“

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